Zu Gast auf Hansch'Hus


Letzte Woche war ich auf Hansch’Hus. Das ist ein Haus in den Bergen. Zwölfhundertfünfzig Meter über Null. Jedes Jahr zur selben Zeit fahre ich mit meinen Freunden dort hin. Früher war ich mit meinen Eltern dort und noch früher war ich mit meiner Kindergartenfreundin und ihren Eltern eine Alm weiter oben. Seit damals hat das alles kein bisschen an Zauber verloren.

Auf Hansch’Hus gibt es glaube ich genau eine Uhr. Sie funktioniert nicht. Für die Woche, die wir dort verbringen, gibt es keine Zeit und keine Wochentage, nichts zu tun und keinen Stress. Das Haus ist 300 Jahre alt. Strom gibt es nicht und warmes Wasser kommt nicht aus der Leitung.
Als wir ankommen und die Haustüre öffnen, ist alles dunkel. Erst müssen die Fensterläden geöffnet werden. Dann wird das Haus gefüllt: mit lauten Schritten, die über den Holzboden hineinrasen, über den man nicht leise gehen kann. Sie bringen Essen, Bier, Schlafsäcke, Bergschuhe und noch mehr. Manches wird im Keller gelagert. Eine Holz-Luke und eine kalte, steinige Treppe führen hinab. Anderes wird in die Stube geräumt. Sie ist mit breiten, alten, welligen und etwas staubigen Dielen ausgelegt. Zwischen ihnen sind breite Spalten, die noch mehr Staub beherbergen. Jeder Schritt ist zu hören. Auf der Couch liegt eine wunderschöne Blumendecke. Durch ein kleines Loch in der Decke über dem Ofen, der sich in der Ecke der Stube befindet, kommt warme Luft in das Matratzenlager. Im Matratzenlager ist es dunkel. Durch ein Fenster kommt ein wenig Licht.
Ein Tellerchen mit einem Stück kostbaren Bergkäse von der nicht weit entfernten Kuhalp, einem Stück Brot und einer Scheibe Gurke. Dazu ein Stamperl reinstes Bergwasser. Und eine Zigarette. Das ist der Empfang für diejenigen, die erst am Wochenende kommen konnten.
Gemeinsam sehen wir dem Nebel zu, wie er zwischen den Bergen zu uns hoch schleicht. Wir versuchen, über den Unterschied von Nebel und Wolken zu philosophieren und fürchten („Wou“) bestaunen („Wooouuu“) und bejubeln („Haaalt dein maul“) mächtige Gewitterwolken. Als sie toben und donnern und als die Nacht von Blitzen erhellt wird.
Wir wandern und trinken auf dem Gipfel Apfelmost und rennen dann leicht benebelt durch strömenden Regen den Berg hinunter, versinken im Matsch und kommen schweißgebadet unten an. Wir singen und spielen Instrumente. Jemand spielt Gitarre und es hört sich toll an. Wir bauen eine Wasserrutsche aus Planen und rutschen sie hinunter. Wir machen Wettschwimm-Trockenübungen auf dem Boden in der Stube. Ich habe immer noch blaue Flecken. Wir batiken und nennen uns
verlauste Hippies, sagen auf russisch „Gute Nacht“ zueinander und beschimpfen uns als Schafe, trinken jede Nacht ein letztes Bier zusammen und rauchen jede Nacht eine letzte Zigarette zusammen. Wir ernten zusammen Brennesseln und machen daraus Brennesselspinat. Wir suchen und finden Pilze und essen nur die Hälfte davon. Allerlei anderes finden wir auch. Sauerklee und Pfefferminz, wilder Majoran und Himbeerblätter glaube ich. Wir reden Quatsch. Und führen schöne und wichtige Gespräche. Wir füllen die Sickergrube und müssen Schaufel und Klopapier mit in den Wald nehmen. 

Jedes Jahr machen wir ein Gruppenfoto alle zusammen an der gleichen Stelle, oben an der Straße. Auch dieses Jahr. Dieses Jahr schmieden die Jungs wohl irgendeinen Plan, uns am Ende mit Wasserbomben abzuwerfen. Blitzgescheid wie wir sind, durchschauen wir das. Also klauen und sammeln wir alle, bis wir genug haben, selbst die Jungs abzuwerfen. Wir stellen uns also für dieses Gruppenfoto auf. Machen das Foto. Die Idee unsererseits, noch ein Foto nur von den Jungs zu machen stößt auf Begeisterung ihrerseits. Als sie dann auch noch vorschlagen, ihre Ärsche in die Kamera zu strecken, freuen wir uns sehr. Sie strecken ihre Ärsche in die Kamera. Wir werfen die Wasserbomben.
Ich hatte Lachmuskelkater und war überglücklichst.
Für mich die schönste Woche im Jahr. Vielleicht auch für euch.